"Heinrich Suhr, Neuenrade/W., Musik-Instr.Fabrik, Deutschland"

In Wien entwickelten sich um die Mitte des 19.Jh. zwei Bauformen: mit offener oder abgedeckter Mechanik. Diese dürften nach ihrer späteren Herstellerregion als Wiener bzw. Deutsches Modell bezeichnet worden sein (Graf,S.61).

Das abgebildete Akkordion entspricht der Bauart Deutsches Modell mit offenliegenden Deckern (Klappen) und Clavis (Hebeln) und ist auf der Melodieseite gleichtönig.

Auch auf der linken Seite sind die Decker außen am Handgriff aufgesetzt, was auch gar nicht anders möglich war, da dieser innen in vier Kanzellen unterteilt ist und als Brummkasten (Resonanzkörper) die Basstöne verstärkt.

Die beiden unteren Hebel bedienen vier Grundtöne, die beiden oberen vier Vierklänge. Sie sind demnach wechseltönig belegt.

In der Innenseite werden die vier im Handgriff befindlichen Kanzellen von Stimmplatten abgeschlossen. Die zwei unteren Kanzellen jeweils von einer großen und kleinen Stimmplatte, da die Einzelbässe (Grundbässe) zweichörig erklingen.

Die kleinen Stimmplatten tragen jeweils die 8'-Zunge, die großen die eine Oktave tiefer gestimmte 16'-Zunge.

Die sichtbaren Zungen erklingen auf Hebelbetätigung bei Druckwind (Schließen des Balges) und die vom Ventilleder verdeckten bei Saugwind.

Die oberen Kanzellen führen zu diesen Stimmplatten der Akkordklänge, bestehend jeweils aus vier Tönen, deren Stimmzungen aufgenietet sind. Die Akkorde erklingen einchörig.

Mit einem Handhebel (umseitig) werden jeweils die Mehrklänge einer Sammelplatte gespielt, entweder bei Druck- oder Saugwind.

Die Leder wirken als Ventile und verhindern, dass über die jeweils stummen Zungen unnötig Wind entweicht, der vom Spieler durch zusätzliche Balgbewegung ausgeglichen werden müsste. Die sichbaren Stimmzungen sind auf ihrer Rückseite gleichfalls mit beweglichem Leder abgedeckt.

Die Melodieseite ist dreichörig (8'+8°+4') ausgelegt. Die Chöre sind über sechs Zugregister (die Knöpfe oben) einzeln wählbar.

Dazu wird über die oberen Knöpfe eine Schleiflade (Holzstreifen) senkrecht so verschoben, dass deren Löcher sich vor den Kanzellen befinden und die Zungen Wind erhalten. Die Register müssen paarweise für beide Tastenreihen gezogen sein, damit alle Töne mit der gleichen Choranzahl erklingen. Alle Register gezogen ergeben den vollen dreichörigen Klang.

An der Rückseite des Handgriffes befindet sich eine Daumenschlaufe. Schulterriemen waren noch nicht in Gebrauch.

Rechte Seite innen (gekürztes Bild). Mittels zwei gezogener Register (je Tastenreihe eins) wird der 8'-Chor zugeschalten. Die Schleifladenenden der nicht betätigten Register ragen unten heraus. Das ganz linke Register ist zur Demonstration auch halb gezogen, um die Schleiflade hinter den Tonlöcher zweier entfernter Stimmplatten zu zeigen.

Auch heutige Akkordions werden nach diesem Prinzip registriert. Allerdings mit Kippschaltern, Metallmechanik und Schleifladen aus Kunststoff. Das Registrieren mittels Schleifladen entstammt dem Orgelbau, wo schon seit Jahrhunderten über das chorweise Zu- bzw. Abschalten von Pfeifen ein dynamischer Klang versucht wurde.

Die rechte Seite hat einen Tremulant, der im Bild mit dem oberen Knopf abgeschaltet ist, sodass der Wind ungehindert durch die per Faden geöffnete Klappe gelangt.

Bei niedergedrücktem Tremoloknopf ist die Klappe durch die Bleigewichte geschlossen und wird durch den Druckwind periodisch geöffnet. Für Saugwind befindet sich hinter der anderen Öffnung eine zweite Tremoloklappe. (s.a. Galerie mit Tremulant)

"Verein der Musikfreunde Staßfurt 1908"

Oben ein vergrößerter Ausschnitt mit 3 Akkordeons.

Verschiedene Akkordeons in Deutscher Bauform in einem Verkaufskatalog um 1870.