Deutsche Konzertina
Chemnitzer System, 76 Töne
wechseltönig
(Sammlung Oriwohl, Nr. A- 87)
Herstellung: vermutl. Fa. Wilhelm Dölling (gegr.1898, Klingenthal), um 1900.
(Zinkplatten mit Stahlzungen; 2-chörig.) (H: 20,5cm T: 20,5cm)
Tonumfang: G - e3
Ein weiteres Instrument der damals weitverbreiteten 76-tönigen Konzertina, dessen Balgklappenschild (Blechschmuck vor der Luftklappe) in der Mitte ein D enthält. Dies könnte auf die Firma Dölling in Klingenhtal im Musikwinkel hinweisen.
Linke Seite: G-h1
Bei den ersten Konzertinas war jeder Ton nur einmal vorhanden (Zug oder Druck), was die Spielbarkeit einschränkte. Mit jedem größeren Modell wurde deshalb nicht nur der Tonumfang erweitert, sondern viele Töne (mittels zwei eingebauter Zungen) für Druck und Zug ausgelegt.
Der Hauptgrund für das Wechseltonprinzip, viele Töne auf kleinstem Raum bei Einsparung teurer Stimmzungen, wird durch die wachsenden Bedürfnisse der Musiker hinfällig.
Rechte Seite: e1-e3
Obwohl 19 von 23 Tönen (83%) der rechten Seite für Druck und Zug vorhanden sind, werden diese nicht mittels eines Gleichton-Systems auf jeweils eine Taste gelegt, sondern bleiben in Rücksicht auf das erlernte Repertoire der Musiker, sowie der schon verbreiteten Lern- und Spielliteratur weiterhin auf verschiedene verteilt.
Die Einführung eines grundsätzlich neuen Systems, wie z.B. ab 1839 das Böhm-Klappensystem der Klarinette, welches auch ein Umlernen der Klarinettisten erforderte, fand im Konzertinabau nicht statt.
Linkes Manual: Tonumfang G - a1.
2-chörig (8'+4' davon 4 Grundtöne G,D,A,E als 16'+8')
Mit dem stetig wachsendem Tonvorrat wandeln sich die einstmals diatonischen, also nur für einige Tonleitern ausgelegten Instrumente, immer mehr zu chromatischen. Hier führt der chromatische Bereich bereits von fis bis a1. Am rechten Manual von fis1 bis e3.
Rechtes Manual: Tonumfang e1-e3, 2-chörig (8'+4')
An der (eingefügten) Nummerierung '1,2,3,4,0' ist das Chemnitzer Tastatursystem erkennbar.
Nach Uhligs Erfindung der Deutschen Konzertina in der Industriestadt Chemnitz begannen bald weitere Instrumentenbauer Konzertinas herzustellen. Im nahegelegenen Erzgebirge war C.F. Zimmermann in Carlsfeld der Erste, der dem Beispiel Uhligs folgte.
Die Vogtland-Region westlich von Carlsfeld besaß jedoch schon eine langjährige Tradition im Bau von Geigen und Blechblasinstrumenten. Aber auch Durchschlagzungen fanden schon länger im Mundharmonikabau Verwendung. Auch Accordions nach Demians Vorbild wurden gefertigt.
Nicht umsonst wurden Orte wie Markneukirchen, Adorf, Bad Brambach, Klingenthal und das böhmische Graslitz (Kraslice) und Schönbach (Luby) als Musikwinkel bezeichnet. Auch die Firma Dölling in Klingenthal war Bestandteil dieser handwerklichen Tradition.
In den 1930er Jahren sorgten Ernst Louis Arnold (E.L.A.) und Sohn Alfred (AA) mit Bandonions aus Carlsfeld für weitere internationale Bekanntheit des Musikwinkels.
Der Musikwinkel liegt am westlichen Rand des Erzgebirges. Etwa 30 km östlich davon steht der 1244m hohe Keilberg (Klinovec), der Gipfel des Gebirges. Das an dessen Fuß gelegene kleine Grenzdorf Gottesgab (Boží Dar) war das Zuhause des berühmten Mundartsängers und Dichters Anton Günter (1876-1937). Seine Lieder sind bis heute wahre Hymnen der Erzgebirger:
Wu de Wälder hamlich rauschen,
wu de Had su rötlich blüht,
mit ka'n König mächt ich tauschn,
weil dort drubn mei Häusel schtieht.
Of dr Ufenbank in einer Erzgebirgsstube Mitte des 20. Jh. mit heimatlicher Instrumentierung: Gitarren und Konzertina.
Schi und Rodel gut, wenn auch leider seltener:
♫ Ne Heinerle sei Winterlied, Erzgebirgs-Ensemble 1974, Gesang und Konzertina, (VEB Schallplatten der DDR)
Der Erzgebirgskamm erstreckt sich über rund 120 Kilometer. Im Osterzgebirge, dem östlichen Teil, liegt etwa 10 Kilometer vor der böhmischen Grenze die Kleinstadt Sayda.
Die Herren der Saydaer "Schrammeln" pflegten vermutlich zünftige Schrammelmusik nach Wiener Vorbild. Allerdings wurde, wohl in Ermangelung einer originalen Schrammel-Kontragitarre, eine Teufelsgeige als Bass- und Rhythmusbegleitung verpflichtet...
"Feierabend vor der Schmiede" (Foto H.Krausse, Steinbach/Erzg., Kunstverlag Wilhelm Vogel, Schwarzenberg i.Sa., kolorierte Postkarte
Die Generationen unter einem Dach im Erzgebirge. Frau und Kind beim Klöppeln (eine Art Häkeln mit Rundhölzern - den Klöppeln), einer früher weit verbreiteten Heimarbeit im Erzgebirge.
Das Erzgebirge wurde, wie es der Name schon sagt, infolge von Erzabbau besiedelt. Mit der Industrialisierung und der Eisenbahnanbindung im 19. Jh. entwickelte sich auch eine vielfältige verarbeitende Industrie, wie z.B. die Textilherstellung oder der Instrumentenbau. Trotzdem galt das Erzgebirge eher als arme Region, dessen Bewohner besonders bei Wirtschaftskrisen schwere Zeiten durchleben mussten.