Akkordion
System: B-Griff
gleich- u. wechseltönig
(Sammlung Oriwohl, Nr. IV-65)
Herstellung: Fa. Zygmunt Radek (Warschau), vermtl. um 1910-20. (8,28kg)
Dieses Akkordion einer Warschauer Werkstatt enthält im Vergleich zu den beiden vorigen Instrumenten eine entscheidende Neuerung, welche letztendlich dem Akkordeon seine heute bekannte Form und Funktionsweise gab.
Anstatt einzelne Stimmzungen in einer gemeinsamen Kanzelle anzuordnen, um sie als 'Kanzellen-Akkord' abrufen zu können, werden die Decker getrennter Kanzellen über mechanische Kopplungen eines Akkordwerkes gleichzeitig betätigt, damit ein Akkord erklingt.
Die Anfänge dieser Konzeption dürften bis zur Wiener Schrammel-Harmonika um 1870 zurückreichen. Es gab Instrumente mit Zweiklängen als 'Kanzellen-Akkorde', die miteinander kombiniert weitere Akkorde ermöglichten. Ein Akkordwerk stellt die Mechanisierung dieser Grundidee dar (Graf, S. 69).
Das Prinzip Maschine, dass schon dem Ur-Accordion von Demian und auch Musikautomaten zu Grunde lag, wird mit dem Akkordwerk fester Bestandteil des Akkordions.
Prinzipiell ein Vorläufer heutiger vorinstallierter und mit einer Taste abrufbarer Akkorde bei digitalen Instrumenten und Programmen.
Linke Seite mit abgenommener Abdeckung
Der Einbau eines Akkordwerkes fand nur in der Bauform des Wiener Modells den nötigen Platz. Das Manual ist in zwei waagerecht getrennte Funktionsbereiche gegliedert.
Die drei unteren Tastenreihen betätigen die breiten Decker der Einzelbässe (unten).
Die oberen Reihen führen über das Akkordwerk (dünne Metallstäbe, oben) zu den schmaleren Deckern der Akkord- Einzeltöne.
Obwohl es einen Handgriff wie am Deutschen Modell gibt, entspricht die innenliegende Mechanik dem Wiener Modell.
Denn die Rückseite des Handgriffes zeigt, dass sich darin keine Kanzellen, sondern die Stellhebel der Tasten befinden. Die Kanzellen befinden sich als Stimmstöcke (rechts) im Balg.
Die Stellhebel der Tasten führen in der unteren Hälfte zu den Deckern der Einzelbässe, in der oberen zum Akkordwerk.
Akkordwerk mit drehbar gelagerten Wellen mit aufgelöteten Hebeln
Eine Akkordbildung ist rot nachgezeichnet. Durch Tastendruck dreht der senkrechte Hebel die Welle geringfügig und die an ihr befestigten Metallhebel drücken kippbare Holzhebel nach unten und heben die am anderen Ende befindlichen Decker (ein dritter liegt hinter dem Handgriff).
Mit einem Akkordwerk können Mehrklänge aus Einzeltönen gebildet werden, ohne dass deren Stimmzungen in einer gemeinsamen Kanzelle eingebaut oder mehrfach vorhanden sein müssen. Jeder Akkord erfordert eine Welle, was die Akkordanzahl begrenzt.
Die Bassseite bleibt deshalb wechseltönig, um so die Anzahl der Akkorde verdoppeln zu können.
Die rechte Seite mit abgenommener Abdeckung.
Das Tastatursystem ist ein B-Griff.
Die drei (nicht sichtbaren) Tastenreihen am Handgriff steuern die drei senkrechten Reihen von Deckern.
Die Innenansicht der zweichörigen rechten Seite.
Jeder Stimmstock verfügt über zwei 8'-Chöre die leicht abweichend gestimmt einen Schwebeton erzeugen.
Der Hersteller in Warschau (Polen):
"PRACOWNIA HARMONII
RADEK ZYGMUNT
Warzsawa, Al. Jerosolimskie 75/12"
