Akkordion
(wechsel- und gleichtönig)
(Sammlung Oriwohl, Nr. IV-61)
Herstellung: Fa. Savoia Liugi (San Giovanni in Croce in Italien, ggr. 1871) 1926
Dieses Akkordeon steht stellvertretend für die Vielzahl von Entwicklungen hin zum Standardbass und wurde in San Giovanni in Croce (Norditalien zwischen Parma und Gardasee) gebaut.
Die rechte Seite hat ein wechseltöniges Manual mit zwei diatonischen Knopfreihen in den Tonarten A und Es-Dur und weiteren Ergänzungstönen.
Auf der linken Seite befinden sich gleichtönige Bass- und Akkordtasten. Gegenüber dem vorigen Warschauer Instrument sind diese in die linke Gehäuseseite eingebaut. Der Handgriff ist verschwunden und ein Handriemen angebracht.
Die Wirkungsweise des Akkordwerkes hat mehrere entscheidende Verbesserungen erfahren, welche die Grundlage des späteren Standardbasses bilden.
Inwieweit diese auf die Firma Savoia Luigi zurückgehen, oder von anderen Herstellern übernommen wurde, ist unbekannt.
Waren beim vorigen Akkordion die Tasten der Grundtöne und Akkorde noch senkrecht zueinander ausgerichtet, sind diese hier diagonal angeordnet und weisen bereits die Belegung des späteren Standardbasses auf (die äußerste Reihe ausgenommen).
Der Standardbass wird noch zwei weitere Reihen erhalten und sein Manual wird von der Seitenfläche auf die Frontseite wandern, womit auch eine andere Spielhaltung einhergeht (siehe nächstes Instrument).
Das Akkordwerk erstreckt sich jetzt über die gesamte Manuallänge.
Im Gegensatz zum vorigen Instrument ist das Akkordwerk mit seinen im Bild waagerechten Steuerwellen und senkrechten Stellhebeln, jetzt deutlich als vorgefertigte Baueinheit erkennbar, welche mit nur zwei Schrauben (linke und rechte oberer Ecke) ein- oder ausgebaut werden kann.
Dieses Baukastenprinzip ist Ausdruck industrieller Produktion, welche ab 1900 auch im Akkordeonbau
die Werkstattfertigung abzulösen beginnt.
(s. Graf: Das Akkordeon)
Unter den Hebeln liegen:
a) Die Deckerreihe der 12 Grundbässe,
b) die Deckerreihe der 12 Akkordtöne einer Oktave.
Es gibt eine entscheidende Veränderung im Signalfluss:
Am vorigen Instrument bewegte eine Akkordtaste eine Steuerwelle, welche mehrere Decker öffnete. Jeder Akkord bedurfte einer eigenen Welle, was an bauliche Grenzen stößt. Hier jedoch dreht eine Taste drei Wellen gleichzeitig, welche jeweils einen Decker des gewünschten Akkordtones öffnen. Mit 12 Wellen sind alle Decker der 12 Halbtöne einer Oktave steuerbar.
Diese im Rückblick einfache Änderung des Signalflusses ist das Funktionsgeheimnis des Standardbasses, welcher auf diese Weise mit nur 12 Stimmzungen eine Vielzahl an Akkorden ermöglicht.
Taste 1 steuert den Decker eines Grundbasses. Taste 2 und 3 steuern die Decker des dazugehörigen Dur- bzw. Mollakkordes. (Die äußerste Tastenreihe 3 stellt nur eine Hilfsreihe dar, die mit der innersten verbunden ist.)
Die zwei unteren Tasten der linken Außerenreihe sind Attrappen, um Käufer und Publikum mit einem symmetrisch vollkommenen Manual zu erfreuen.
Taste 1 führt zum Decker des Grundbasses. Die Stellhebel der Tasten 2 und 3 heben jeweils den 2. und 3. Hebel (Quinte und Prime) plus den 1. oder 4. (Dur- oder Mollterz), jeweils von unten gezählt. Dadurch werden die an den Hebeln befestigten senkrechten Steuerwellen gedreht und alle an diese Wellen gelöteten Hebel mit Deckern gehoben.
Die Pfeile weisen auf die Oktavkopplung des Grundbasses: Der sich öffnende Decker des Grundbasses hebt über einen Hebel (linker Pfeil) den Decker des Oktavtones (rechter Pfeil) mit an, so dass der Bass zweichörig erklingt.
Auf der Rückseite des Akkordwerkes befinden sich rechts die großen Stimmplatten der Grundbässe mit 16'-Zungen.
Der windmäßig davon getrennte Stimmstock in der Mitte trägt (vermutlich beidseitig) 8'-Zungen als Akkordtöne und gleichzeitigen Oktavchor der Grundbässe.
Die linken 4'-Zungen bilden den Oktavchor der Akkordtöne des mittleren Stimmstockes und besitzen mit diesen eine gemeinsame Windzufuhr.
Handschriftliche Einträge von 1926 und 1948.
Weil A und Es-Dur der Melodieseite sich chromatisch zu einer Oktave ergänzen und daher mit den leitereigenen Tönen dieser zwei Tonarten theoretisch alle Tonarten spielbar sind, macht der Einbau des chromatischen Koppelbasses mit allen 12 Dur- und Mollakkorden hier überhaupt Sinn. Bei der Wahl zwei anderer Tonarten wären viele der Akkorde leiterfremd und nicht verwendbar.
Durch die beschriebenen Verbesserungen des Akkordwerkes kann nicht nur auf den Wechselton der Bassseite verzichtet werden, sondern alle Dur- und Mollakkorde sind jetzt spielbar.