Neubeginn in Friedenszeiten
♫ J.S.Bach, Toccata u. Fuge d-Moll für Orgel (K. Oriwohl; 9.38min/11MB)
♫ Video Bandoniontreffen in Aschau
Infolge des Krieges konnte Karl Oriwohl sein Studium am Sternschen Konservatorium in Berlin erst nach 13-jähriger Unterbrechung 1950 fortsetzen.
Ernst Guido Naumann (links), Gründer des Lehrstuhls für Volksmusikinstrumente im Jahr 1934, ist wieder als dessen Leiter an Aufbau und Lehre maßgeblich beteiligt.
Sein Anliegen war, Volksmusikinstrumente in die akademische Lehre aufzunehmen, wie im Bild die Blockflötenklasse zeigt.
Auch Ernst Kusserow unterrichtete wieder in der Bandonionklasse.
Lehrer und Stundenten am Sternschen Konservatorium in Berlin in den 1950er Jahren.
(2.v.r. Ernst Kusserow, 5.v.r. Karl Oriwohl)
Tags Student am Konservatorium, nachts Barmusikant im "Goldtröpfchen" am Berliner Kuhdamm.
Zur Finanzierung des Studiums über sieben Jahre fast jede Nacht am Kusserow.
Nicht immer werden musikalisch anspruchsvolle Stücke vom Publikum gebührend honoriert. Umso leichter ließ es sich jedoch mit artistischen Einlagen begeistern: Spielend trinken - die oft gewünschte Darbietung einer seltenen Bandonionspieltechnik.
Staunendes Mädchen am Straßenrand: Na so was, klingende Schiffe mitten auf dem Kuhdamm?
Der "Goldtröpfchen"-Dampfer auf großer Kreuzfahrt an der Gedächtniskirche in Berlin anläßlich einer Weinwerbewoche im Jahr 1950 mit Karl Oriwohl an Bord.
Am Mikrofon Alois Blümel, der Organisator eines über viele Jahre stattfindenen Bandoniontreffens in Deutschland. 35 Jahre lang, von 1974 bis 2009, lud er Bandonionspieler aus den verschiedensten Gegenden zu Erfahrungsaustausch und gemeinsamen Musizieren nach Inzell und Aschau in Bayern ein.
Da es nach dem Krieg keinen übergreifenden "Bandonion-Bund" der Vereine und ab etwa 1975 auch keine entsprechende Zeitschrift mehr gab, kam solchen überregionalen Treffen eine große Bedeutung zu.
Heute finden Treffen z.B. in Carlsfeld und Klingenthal in Sachsen meist in Form von Musikwettbewerben statt.
Video eines Bandoniontreffens in Aschau.
Die "Schrankwand" in Karl Oriwohls Wohnung
Neben dem Musizieren war das Sammeln seit Jahrzehnten seine zweite große Leidenschaft bis ins hohe Alter. Ob Konzertina, Bandonion oder andere Instrumente, Postkarten, Zeitschriften oder Fotos - entscheidend für ein Interesse war allein die Anwesenheit einer durchschlagenden Zunge.
Ab September 2010 stellte er seine Sammlung und sein Wissen tatkräftig für die Erstellung von bandonioninfo.de zur Verfügung. Dass er mit der Spielweise gleich- und wechseltöniger Bandonions gleichermaßen vertraut war, ist dabei von besonderem Wert gewesen.
Die Arbeitstreffen dauerten von Mittags bis in den Abend. Gelegentliche gesundheitliche Mühen waren für den über Neunzigjährigen dabei kein Hindernis, sondern wurden mit dem ihm eigenen Humor überbrückt. Seine Instrumente legte er gern mit einem "Bitte recht freundlich" vor das Objektiv.
Karl Oriwohl ist im Oktober 2011 im Alter von 94 Jahren verstorben. Mit ihm geht ein Zeitzeuge bewegter Bandoniongeschichte, der vom Zeitgeschehen ab den 1920er Jahren, sowie vielen damaligen Musikern und Bandonionbauern noch aus eigenem Erleben berichten konnte.
